Gegenstand des Verfahrens vor dem Amtsgericht Pirmasens war ein Verkehrsunfall vom 13.01.2020 im Landkreis Südwestpfalz. Der Kläger war als Müllwagenbelader im beruflichen Einsatz, der Beklagte zu 1) war Fahrer des unfallbeteiligten Pkw, der bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversichert war.
Der Kläger lud Biomüll in das Müllfahrzeug, das hierbei am rechten Fahrbahnrand stand und als im Einsatz befindlich erkennbar war. Die Warnblinkanlage und die Warnleuchte vorn und hinten waren betätigt. Nach Leerung der Tonne nahm der Kläger diese vom Müllfahrzeug herunter und wollte die Straße überqueren, um die Mülltonne wieder zum gegenüberliegenden Bürgersteig zurückzubringen.
Der Beklagte kam mit seinem Pkw dem am linken Fahrbahnrand stehenden Müllfahrzeug entgegen und wollte es in entgegengesetzter Richtung passieren. Hierbei erfasste er den Kläger, der dadurch erhebliche Verletzungen erlitt.
Der Kläger macht Schadenersatz geltend mit der Begründung, der Pkw-Fahrer habe den Verkehrsunfall allein schuldhaft verursacht.
Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen unter Hinweis auf § 25 Abs. 3 StVO, wonach ein Fußgänger auf der Fahrbahn erhöhte Sorgfaltspflichten zu beachten hat und bereits der Anscheinsbeweis für die vollständige Haftung des Fußgängers spricht.
Nach Durchführung der Beweisaufnahme hat das Amtsgericht der Klage des Müllwerkers vollumfänglich statt gegeben.
Der nach § 25 Abs. 3 StVO für den Autofahrer streitende Anscheinsbeweis war erschüttert, weil aufgrund erwiesener Tatsachen die Möglichkeit bestand, dass sich der Unfall durch einen atypischen Verlauf ereignet haben konnte (BGH NJW 2010, 2525).
Schon die Tatsache, dass der Kläger als Müllwerker auf der Straße beruflich tätig war, rechtfertigt die Annahme eines atypischen Geschehensablaufs.
Eine Mithaftung des Fahrzeugführers ist zudem in Betracht zu ziehen, wenn er die zulässige Höchstgeschwindigkeit überschreitet, § 3 StVO bzw. den erforderlichen Sicherheitsabstand zum Fahrbahnrand nicht einhält (Burmann / Heß / Hühnermann / Jahnke / Heß, 26. Aufl. 2020, StVO § 25 Rn. 22a).
Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme stand zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Fahrzeugführer gegen seine Pflichten aus §§ 1 Abs. 2, 3 Abs. 1 StVO verstoßen hat, indem er mit zu geringem Seitenabstand an dem Müllfahrzeug vorbeigefahren war, ohne seine Geschwindigkeit auf Schrittgeschwindigkeit zu reduzieren.
Zwar treffen den Kläger als Fußgänger im Straßenverkehr die gem. § 25 StVO geltenden erhöhten Sorgfaltspflichten. Dem Kläger ist hier jedoch lediglich vorzuwerfen, dass er sich zum Einsichtnehmen in die Straße in einem Schwung umdrehte, statt innezuhalten um mit erhöhter Vorsicht am Müllfahrzeug vorbeizublicken. Dieses nach Ansicht des Gerichts im vorliegenden Fall als gering zu bewertende Mitverschulden des Müllwerkers hat jedoch hinter dem groben Verstoß des Fahrzeugführers vollständig zurückzutreten.
Mitgeteilt von Rechtsanwalt Klaus Leinenweber
Fachanwalt für Verkehrsrecht, Pirmasens, den 17.11.2020 L/sla