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Ausgleichsanspruch aus dem Gesichtspunkt des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses

Ist die Klägerin § 903 BGB als Eigentümerin zum Abriss einer unstreitig allein auf ihrem Grundstück befindlichen Grenzwand berechtigt, ist sie jedoch aus einer Abwägung der Interessen der Grundstücksnachbarn ausnahmsweise verpflichtet, die Weiterbenutzung der Giebelwand durch die Beklagten zu dulden, kann die Klägerin als Ausgleich Schadloshaltung in Entgelt in Form der Erstattung ihrer Kosten begründet durch die Standsicherung der Mauer unter dem Gesichtspunkt des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses gemäß § 242 BGB ersetzt verlangen.

Landgericht Zweibrücken, Urteil vom 01.10.2021 – 1 O 138/18

Zum Sachverhalt:

Die Klägerin macht gegen die Beklagten Ansprüche auf Ersatz der Kosten für die Sanierung und Absicherung einer Gebäudewand in Höhe von netto 63.305,26 € geltend. Die Klägerin errichtete im Landkreis Südwestpfalz einen neuen Edeka-Markt. Hierzu musste Sie ein auf dem Grundstück befindliche alte Schuhfabrik abreisen. Diese war an die Grenze zu dem Grundstück der Beklagten gebaut. Beim Abriss stellte sich heraus, dass das Gebäude der Beklagten ohne eigene Grenzwand direkt an die Grenzwand der alten Schuhfabrik angebaut war. Mit Abriss der auf dem klägerischen Grundstück befindlichen Außenwand hätte das Gebäude der Beklagten keine Außenwand mehr gehabt. Die Klägerin erhielt in der Folge die Giebelwand und sicherte diese mittels Strahlträgern, wodurch ihr Kosten in Höhe von 63.305,26€ entstanden waren. Die Klägerin behauptet, aufgrund des nachbarschaftlichen Gemeinschaftsverhältnisses habe sie die Grenzwand abreisen dürfen. Die Wand konnte nicht einfach stehen bleiben, sie wäre alleine standsicher gewesen. Die von ihr investierten Kosten waren seien alle erforderlich gewesen, um sicherzustellen, dass das Gebäude der Beklagten weiterhin eine funktionsfähige Außenwand habe.

Die Beklagten haben eingewandt, der Abriss des Gebäudes hätte problemärmer und kostengünstiger ablaufen können. Es wären dann weder Kosten noch Aufwand entstanden. Die Klägerin habe durch den Abriss selbst die Ursache dafür gesetzt, dass Kosten für die Außenwand in geltend gemachter Höhe entstanden seien. Das Landgericht Zweibrücken (Urt. v. 01.10.2021- Az. 1 O 138/18) hat der Klage stattgegeben.

Aus den Gründen:
Soweit vor dem Hintergrund der nachbarschaftlichen Auseinandersetzung nach § 15a EGZPO i.V.m. § 1 LSchlG Rheinland-Pfalz die Durchführung eines Schiedsverfahrens erforderlich war, ist dieses erfolglos abgeschlossen worden. In der Sache hat die Klage überwiegend Erfolg.

Der Klägerin steht ein Anspruch unter dem Gesichtspunkt des nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses gemäß § 242 BGB gegen die Beklagten auf Erstattung der Aufwendungen, die zur Sicherung der Giebelwand erforderlich waren, zu. Die Klägerin war ausnahmsweise als Eigentümerin der Giebelwand verpflichtet, die Weiterbenutzung durch die Beklagten zu dulden. Andernfalls wäre deren Gebäude ohne Außenwand gewesen. Die Pflicht ergibt sich aus dem nachbarrechtlichen Gemeinschaftsverhältnisses, wonach die Ausübung eines an sich bestehenden Rechts unzulässig ist. Der gerechte Ausgleich widerstreitender Belange kann in manchen Fällen ein Hinausgehen über die gesetzlichen Regelungen erfordern, wobei die einem Grundstückseigentümer aus der Anwendung des Grundsatzes von Treu und Glauben (§242 BGB) seinem Nachbarn gegenüber obliegende Rücksichtnahme sich unter Umständen nicht einmal in einem Unterlassen erschöpft, sondern ihn sogar zu einem positiven Handeln verpflichten kann. Eine solche Einschränkung muss allerdings, da die Rechten und Pflichten von Grundstücksnachbarn in erster Linie durch die nachbarrechtlichen Gesetzesvorschriften geregelt werden, eine aus zwingenden Gründen gebotene Ausnahme bleiben (BGH NJW 1977, 1447, beck-online). Vorliegend hätte nach dem Abriss der Grenzwand des Gebäude der Beklagten komplett ohne Außenwand dagestanden. Eine Nutzung des Gebäudes wäre nicht mehr möglich gewesen. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme hatten die Beklagten auch nicht auf Sicherungsmaßnahmen durch die Klägerin verzichtet oder sich dazu bereit erklärt, diese selbst vorzunehmen.

Als Ausgleich kann die Klägerin Schadloshaltung in Geld in Form der Erstattung ihrer Kosten verlangen. Die von der Klägerin für die Sicherung der Wand erfolgten Aufwendungen sind dem Grunde vollständig erstattungsfähig. Zu dem Ergebnis der Beweisaufnahme war der Höhe nach ein Betrag in Höhe von 63.305,26 € zuzusprechen.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Klaus Leinenweber, Pirmasens